Dank dem Wirken des Menschen sind unsere einheimischen Wildbienen reich geworden. Steinreich geradezu! In nahezu jeder Nisthilfe ist "Stein" in Form der orangeroten Lochziegel üppig vertreten, manchmal quadratmeterweise, Bauwerke für die Ewigkeit. Der Nutzen für die Insekten als Nistbaumöglichkeit ist begrenzt. Seeeeeeeeeeeeeehr begrenzt,um es mal ganz vorsichtig auszudrücken! Wildbienen und solitäre Wespen nutzen dieses Angebot ähnlich häufig wie Löwen ein Salatbuffet. Lochziegel sind billig und sie füllen erfreulich rasch große Flächen, das dürfte so ziemlich das Einzige sein, das sich bei ihrem Gebrauch positiv vermerken läßt.
Lochziegel sind für Wildbienen und solitäre Wespen zu 99% völlig sinnlos. Die in deutschen Nisthilfen verbauten Ziegel würden vermutlich ausreichen, die Chinesische Mauer neu zu errichten, von dieser nun im Überfluß vorhandenen Mineralquelle profitiert ein lediglich ein einziger Organismus, dieser aber dafür in ganz besonderem Maße:
Die Gewöhnliche Steinlaus (Petrophago lorioti)
Dieses kleinste Nagetier der Welt ernährt sich von verschiedenen Mineralien, wobei sein Ernährungsschwerpunkt auf Silikaten und Kalkstein liegt. An unsere moderne Zivilisation hat sich das possierliche Wesen erstaunlich gut angepaßt, heute stehen auch Beton, Ziegel, Ytong und gelegentlich ein mürber Eisenträger auf seiner Speisekarte. Die Bestände nahmen einige Zeit in erschreckender Weise ab, dank dem Wildbienennisthilfen-Boom und der daraus resultierenden Lochziegelschwemme kam es in den letzten Jahren zu einer so überraschenden Stabilisierung, daß die Gewöhnliche Steinlaus aus der Roten Liste gestrichen werden konnte.
Betrachten wir nun die Art und Weise wie Lochziegel in Nisthilfen integriert werden. Hier lassen sich in der Regel drei typische Verwendungsarten unterscheiden:
Die Rote Mauerbiene (Osmia bicornis) ist eine unsere häufigsten und größten (9-12 mm) Wildbienenarten an Nisthilfen. Sie bevorzugt Nistgänge mit 5-6 mm Durchmesser. Die meisten Arten sind aber deutlich kleiner, auch Gänge mit einem Durchmesser von 2 mm werden besiedelt. Was sollen diese Bienen also mit einem vollkommen überdimensionierten Lochziegel anfangen?Würden Sie in eine zugige Bahnhofshalle ziehen, wenn die Alternative ein kuschliges Appartement ist? Na sehen Sie!
Fazit:
Leere Lochziegel in Nisthilfen für solitäre Wildbienen und Wespen sind völliger Humbug und komplett nutzlos!
Auf einer Notenskala von 1-6 erzielt die rechts oben abgebildete Nisthilfe eine glatte 8.
Häufig sieht man Lochziegel die oberflächlich mit Lehm verschmiert wurden. Diese Vorgehensweise ist gleich doppelt sinnlos. Falls der Lehm zum Graben der Gänge für Steilwandbewohner gedacht ist, müßte er die Lochziegellöcher komplett ausfüllen. Der natürliche Lebensraum von Steilwandbewohnern ist häufig Lösslehm, ein weiches Lockergestein, in das die Bienen mit ihren Mandibeln problemlos Gänge graben können. Der in der Regel beim Bau von Nisthilfen verwendete Ton oder fetter Lehm ist dagegen viel zu hart und damit nutzlos. Die mit Lehm gefüllten Löcher wären aber selbst im Optimalfall viel zu klein für die Anlage der teilweise verzweigten Gangsysteme.
Das Verschmieren mit Lehm hat zumindest einen praktischen Nutzen für den Betrachter, wenn auch nicht für die Wildbienen: Man sieht die häßlichen Ziegel nicht mehr!
Mit Bambus- oder Schilfstängeln bestückte Lochziegel sind die einzige, wenigstens einigermaßen sinnvolle Verwendung dieses Baumaterials. Der Ziegel selbst ist dabei unwichtig, er dient lediglich als Stauraum für die Stängel. Es gibt aber mit Sicherheit wesentlich simplere und effektivere Möglichkeiten solche Stängel in einer Nisthilfe zu verstauen (z.B. aufgerollte Bastmatten, Konservendosen mit Naturstrohhalmen). Falls die Stängel nur locker in die Löcher geschoben werden, fallen sie leicht wieder heraus oder werden von Vögeln herausgezogen.
Die hier abgebildete Nisthilfe ist aus Sicht der Wildbienen ein völliges Desaster. Die meisten Schilfhalme sind an den Enden zersplittert und ausgefranst, Wildbienen besiedeln fast ausnahmslo nur nur Halme mit sauberen, glatten Schnittkanten. Beim Abstreifen des Pollens muß die Wildbiene rückwärts in den sehr engen Gang einfädeln. Jeder Splitter kann bei diesem Manöver leicht die Flügel zerschlitzen, diese Gefahr meiden Wildbienen intensiv.
Ich habe mir mal die Gaudi gemacht in starker Vergrößerung alle besiedelten Gänge zu markieren. Es sind gerade mal 63 Stück, für diese Fläche ein ziemlich erbärmliches Ergebnis.
Sinnvolle Alternative:
Trockene, gut abgelagerte Hartholzklötzchen mit sauberen Bohrungen von 2-8 mm üben im Gegensatz zu den gesprungenen Stammscheiben eine geradezu magische Anziehungskraft auf solitäre Wildbienen und Wespen aus. Nach meiner Erfahrung werden sie in der Regel zu nahezu 100% besiedelt. Das gilt auch für das "Hotel zur wilden Biene" aus gebranntem Ton. Der abgebildete Holzklotz hat ziemlich genau die selbe Fläche wie ein Lochziegel. Über kurz oder lang werden alle 280 Nistgänge besetzt sein, dieses Nistraumangebot ist also um Welten effektiver als Lochziegel oder Stammscheiben. Auch nach Jahren bleiben solche Hartholzklötze nahezu unverändert und werden jede Saison erneut besiedelt.
Vergleich Hartholzblock - Lochziegel:
Sieben Hartholzblöcke würde in etwa die gleiche Fläche belegen wie die Lochziegel in unserem Beispiel, eine Fotomontage soll das veranschaulichen. In diesem Fall kämen wir allerdings auf die stolze Summe von 2240 Nistgängen, die über viele Jahre in gleichbleibender Qualität zur Verfügung stehen würden. Das entspricht einer Zunahme um den Faktor 36, wenn man es mit der verkorksten Alternative rechts vergleicht.
Manche Nisthilfen nehmen oft enorme Flächen ein, dennoch sieht man erschreckend wenig Bewohner. Einige sorgfältig gebohrte Hartholzblöcke oder eine sauber abgeschnittene, aufgerollte Schilfrohrmatte könnten oft ein Vielfaches an Bewohnern beherbergen.
Wer Zeit, Hingabe und Begeisterung in Planung und Bau einer Nisthilfe steckt, sollte daher unbedingt auf die Qualität, nicht die Quantität des angebotenen Wohnraums achten.
Zahllose weitere Fotos findet ihr auf meinen Pinterest-Pinwänden!
(Einzelseiten zum Vergrößern anklicken!)
Alle wesentlichen Informationen zu den unterschiedlichen Komponenten einer Insektennisthilfe sind jeweils in einem eigenen Kapitel zusammengefasst und mit zahlreichen Fotos
illustriert.
Eine sechsseitige Fotodokumentation protokolliert den Bau einer pfiffigen Insektennisthilfe aus alten Eichenbalken.
Doppelseiten mit Fotos illustrieren jeweils bestimmte Teilaspekte des Lebens an einer Nisthilfe.
Die typischen Baufehler der InsektenNICHTNisthilfen aus Baumarkt und Gartencenter werden ausführlich besprochen.
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