Dieser Vertreter der Wegerichgewächse (Plantaginaceae) stammt ursprünglich aus dem Mittelmeerraum und besiedelte dort Felsspalten und -ritzen. Im 16. Jahrhundert wurde diese Art als Zierpflanze bei uns eingeführt. Heute ist sie fast weltweit verbreitet und besiedelt als Sekundärlebensraum mit großem Erfolg schattige, eher etwas feuchte Mauern. Ein fest etablierter, aber glücklicherweise nicht invasiver Neophyt.
Mit seinen bis zu 60 cm langen Ausläufern über zieht es den Untergrund mit filigranen Vorhängen. Diese Ausläufer können Wurzeln bilden und so zur vegetativen Ausbreitung der Pflanze beitragen. Die kleinen, weißen Maskenblumen erinnern ein wenig an Löwenmäulchen und besitzen zwei auffällige, quietschgelbe Staubbeutelattrappen. Die erfreulich lange Blütezeit reicht von Juni bis September, Bestäuber sind Wildbienen und Schwebfliegen.
Das Zimbelkraut ist ein Lehrbuchbeispiel für „Tropismus“, d.h. die gerichtete Bewegung eines Pflanzenorgans auf einen Reiz zu, bzw. von einem
Reiz weg. Zunächst verhalten sich die Blüten ganz brav wie sich das gehört, sie richten sich nach dem Licht aus und wachsen auf es zu („positiv phototrop“). Insekten sollen ja
zur Bestäubung möglichst freien Zugang zu den Blüten haben.
Nach der Bestäubung und dem Beginn der Samenentwicklung steht die Welt plötzlich auf dem Kopf. Der Blütenstiel mit der reifenden Samenkapsel an der Spitze wächst plötzlich vom Licht weg
(„negativ phototrop“). Gleichzeitig kommt es zu einem starken Längenwachstum, die Stiele verlängern sich auf ca. das Doppelte. Dadurch werden die Samenkapseln
tief in Mauerritzen geschoben, wo sie optimale Keimbedingungen finden. Ca. 15 % aller Kapseln erreichen so einen sicheren Keimort.
Ohne diesen Mechanismus würden die Samen fast vollständig zu Boden rieseln, wo die Keimlinge kaum konkurrenzfähig wären. Bei trockenem Wetter öffnen sich die
Zähnchen der Kapsel und die Samen rieseln nach außen. 80 % aller so deponierten Kapseln sind in einem Abstand von 10 cm zur Mutterpflanze zu finden, also in einem Bereich, der sich als Standort
bereits bewährt hat. Irgendwann fällt die Kapsel als Ganzes ab. An ihrer Basis sitzen fest fixierte Samen, die am meisten Nährgewebe (Endosperm) besitzen. Diese Samen haben daher die größte
Chance erfolgreich zu keimen und sich zu etablieren.
Viele Samen werden vermutlich durch Wind und Wasser verdriftet und tragen dazu bei neue Lebensräume zu besiedeln.
Quelle: "Zur Diasporenausbreitung von Cymbalaria muralis", Thomas Junghans, 2004
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