Der Trauerschweber - ein Alien im Wildbienenreich

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Der Trauerschweber (Anthrax anthrax)

Systematische Stellung

  • Ordnung Diptera = Zweiflügler, dazu gehören die Fliegen und Mücken
  • Unterordnung Brachycera = „Fliegen“
  • Familie Bombyliidae = Wollschweber, Hummel­fliegen, Trauerschweber
  • In Deutschland 34 Arten
  • Die Larven leben ausschließlich als Parasitoide bei anderen Insekten

Eiablage

Parasitiert werden verschiedene Wildbienenarten aus der Unterfamilie der Megachilinae (Bauchsammler), unter anderem auch Mauerbienen, vor allem die Rost­rote Mauerbiene. Die Fliege schwebt hubschrauber­artig vor den Nesteingängen und schleudert ihr Ei mit einer wippenden Bewegung des Hinterleibs zielgerich­tet in den Nistgang. Nicht gerade die rücksichtsvollste Art und Weise mit seinem Nachwuchs umzugehen, aber offensichtlich hat sich dieses System bewährt.

Larvenentwicklung

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Parasitierte Mauerbienenkokons: Zahlreiche Larven einer Erzwespe und zwei Larven des Trauerschwebers

Das erste Larvenstadium (Planidium) ist sehr beweglich und nimmt sofort seine kurzen Stummelbeinchen unter den Arm um zu den Pollenvorräten einer gerade neu angelegten Brutzelle zu wandern. Sobald diese Brutzelle von der Mauerbiene mit einer Lehmwand verschlossen wird, kann sich die Larve entspannen. Nach der ersten Häutung hat die Larve wieder die klas­sische Madenform aller Fliegenlarven. Über die an­fängliche Ernährung gibt es verschiedene Angaben in der Literatur: Laut einigen Autoren ernährt sich die Larve zunächst von dem Pollennektargemisch. Laut an­deren Angaben drehte sie zunächst nur Däumchen bis die Mauerbienenlarve ihren Vorrat komplett verzehrt hat. Däumchendrehen ist als beinlose Made gar nicht so einfach und sicher ein wirkungsvolles Ablenkungs­manöver um die Zeit totzuschlagen.

 

Wenn die Mauerbienenlarve schließlich ihren Kokon spinnt, lässt sich die Fliegenlarve in seinem Inneren mit einschließen. Sobald sich die Bienenlarve fertig ver­puppt hat, wird sie nach und nach von dem Parasitoiden ausgesaugt.

 

Ich möchte mir die Freude nicht nehmen lassen, an dieser Stelle den Altmeister der Entomologie Jean-Henri Fabre zu zitieren:

 

Aber der Kuss des Trauerschwebendes entleert sie weiter, bald ist sie nur noch ein stündlich schrumpeliger werdendes Stück Speck, aus dem der Saugnapf die letz­ten öligen Ausschwitzung zieht. Zwischen dem 12. und 15. Tag ist von der Mauerbienenlarve nur noch ein weißes, kaum nadelkopfgroßes Körnchen übrig. Hier aber ist das Wunderbare: Während der etwa 15-tägigen Mahlzeit des Trauerschwebers bewahrt die Larve ihre Butterfarbe, die erst ganz zuletzt, wenn fast nichts mehr übrig ist, dem Braun der Fäulnis weicht, und selbst dann nicht immer. Für gewöhnlich hält sich das Aussehen lebenden Fleisches, bis das letzte Bäll­chen erscheint, der aus Haut bestehende einzige Rest. Es ist weiß, ohne jeden Fleck von Gammel, ein Beweis, dass das Leben andauert, bis der Körper auf Null ist“.

 

Seine “ Erinnerungen eines Insektenforschers“ kann ich jedem Naturfreund nur wärmstens ans Herz legen.

Verpuppung

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Die "bewaffnete" Puppe des Trauerschwebers ("armed pupa")

Würde sich die Larve jetzt ganz normal verpuppen, um dann als fertige Fliege aus ihrem Kokon zu schlüp­fen, hätte sie ein ernstes Problem. Fliegen haben leckend-saugende Mundwerkzeuge. Optimal um Flüs­sigkeiten, oder Nektar in offenen Scheibenblüten auf­zulecken. Für das Durchbrechen einer zähen Kokon­hülle und einer Zellwand aus Lehm allerdings absolut ungeeignet! Hier ist guter Rat teuer.

 

 

Irgendwie scheint die Fliegenlarve den Ernst der Situa­tion nicht ganz begriffen zu haben, denn sie verpuppt sich ohne Rücksicht auf Verluste. Allerdings hat es diese Puppe gewaltig in sich!

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Der Trauerschweber: Der biologische Vorläufer der Tunnelbohrmaschine

Die hochbewegliche Puppe trägt eine Krone aus Chitinzähnchen die Fabre folgendermaßen beschreibt:

 

Der Kopf ist von einem sechszackigen Diadem gekrönt, die Zacken sind hart, spitz, schwarz und im Halbkreis angeordnet, dessen konkave Seite nach unten zeigt. Diese Zacken werden vom Scheitel zu den Enden hin kürzer, sie erinnern an die Strahlenkronen der Kaiser auf spätrömischen Münzen.“

 

Jetzt hat der Trauerschweber die erforderlichen Werk­zeuge für den Weg in die Freiheit. Mit dieser Fräs­maschine aus Chitin durchbricht er zunächst die Ko­konhülle der Mauerbiene, dann die Trennwände aus Lehm. Man kann sich das bildlichso vorstellen, als würden wir in einem hautengen Schlafsack stecken an dem außen Steigeisen aus Metall befestigt sind. Klaustrophobie ist da nicht angesagt!

Dieser Fräskopf wird durch weiteres „Zubehör“ aus Chitin wirkungsvoll in seiner Funktion unterstützt. Las­sen wir noch einmal Fabre zu Wort kommen:

 

Der Hinterleib hat neun Segmente, von denen vier, vom zweiten an, auf dem Rücken in der Mitte mit ei­nem Gurt aus kleinen hellbraunen, hornigen Bogen be­wehrt sind; sie sind nebeneinander aufgereiht, mit ihrer konvexen Seite in die Haut eingefügt und enden alle in schwarzen harten Dornen. Insgesamt bildet der Gurt so eine durch eine Furche getrennte Doppelreihe kleiner Dornen. Pro Segment zähle ich 25 doppelzahnige  Bo­gen, was 200 Spitzen für die so bewerten vier Segmente ergibt

 

Diese Spitzen, verbunden mit langen, nach hinten ge­richteten Borsten verankern den Körper am Unter­grund, wenn der Trauerschweber die Trennwände aus Lehm mit dem Chitinfräskopf attackiert.


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Der Trauerschweber: Hier könnte sich jeder Regisseur kreative Anregungen für den nächsten Alienfilm holen
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Der Trauerschweber: 200 Chitinzähnchen sorgen für eine Verankerung des Körpers während des Bohrens

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Der Trauerschweber: Dornen, nach hinten gerichtete Borsten und ein Chitinkrönchen ergeben im Zusammenspiel die perfekte Bohrmaschine
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Der Trauerschweber: Puppe unmittelbar vor dem Schlüpfen

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Trauerschweber-Puppe in Glasröhrchen mit künstlichem Lehmdeckel

Um mit etwas Glück auch das Schlüpfen der Fliege beobachten zu können, habe ich einige reife Puppen in Glasröhrchen mit einem künstlichen Lehmdeckel gesetzt. Diesen Versuch hat schon Jean-Henri Fabre durchgeführt. Ungeachtet der völlig unphysiologischen Umgebung läuft das angeborene Verhaltensmuster perfekt ab. Die Puppe attackiert den Lehmdeckel mit ihrem Chitinfräskopf solange, bis sie nach außen durchbricht. Im Idealfall findet also demnächst der Schlupf statt.

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Die Trauerschweber-Puppe hat bereits fast den gesamten Lehmdeckel auseinandergenommen

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Geschlüpfter Trauerschweber neben seiner leeren Puppenhülle

 

Die Natur scheint es darauf angelegt zu haben, dem Trauerschweber das Leben schwer zu machen und so steht er nun vor einem letzten Problem. Nach dem Durchbrechen des Außenverschlusses würde die Puppe zu Boden stürzen und müsste dort die Metamorphose zur fertigen Fliege abschließen, eine leichte Beute für alle Liebhaber tierischen Proteins. Mal ganz ehrlich, wer endet schon gerne vor dem Jungfernflug in irgend­einem fremden Magen? Aber der Trauerschweber hat noch ein letztes Ass im Ärmel. Sobald er die letzte Zellwand durchbrochen hat, verharrt er in dieser Posi­tion, der Hinterleib immer noch im Lehmdeckel fixiert. In dieser Stellung schließt sich nun endgültig der Kreis­lauf, die fertig entwickelte Fliege schlüpft aus der Puppe. Die aus dem Bohrloch ragender Puppenhülle mit ihren charakteristischen Chitinzähnen weist eindeutig auf einen Befall mit dem Trauerschweber hin.

 

 

Verbreitung

 In Italien können in Mauerbienenzuchten bis zu 95 % aller Kokons mit dem Trauerschweber parasitiert sein, in Deutschland sind es im Schnitt 2 %. Als Gegen­maßnahme werden gelb angestrichene Nisthilfenattrappen aufgestellt, deren Gänge nur einen halben Millimeter tief sind, die aber den Trauer­schweber zur - dann natürlich völlig sinnlosen -Eiablage veranlassen. Da der Trauerschweber zwischen einer und zwei Wochen nach den weiblichen Mauerbienen schlüpft, werden die dann noch geschlossenen Kokon, die sowohl Erzwespenlarven als auch den Trauer­schweber enthalten können, vernichtet.

Video: Durchbrechen des Lehmdeckels und Schlupf aus dem Kokon

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Frisch geschlüpfter Trauerschweber


Wider Erwarten konnte ich noch einen zweiten Trauerschweber beim Schlupf aus dem Kokon filmen. Diesmal ist auch die einleitende Phase dokumentiert, bei der sich die Puppe mit ihrem Chitinfräskopf durch den Verschlußdeckel der Brutzelle (in diesem Fall natürlich eine künstliche) bohrt.


Video: Schlupf aus dem Kokon

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Frisch geschlüpfter Trauerschweber

Manchmal hat man mehr Glück als Verstand :-) Heute morgen ist ein Trauerschweber aus seinem Kokon geschlüpft und zufällig bin ich genau in diesem Moment auf den Balkon gegangen. Stativ und Kamera waren buchstäblich in letzter Sekunde aufgebaut, nach drei Minuten war alles vorbei. Heureka!!!


Fototechnik

Weitwinkelzoom in Retrostellung mit Novoflex-Adapter
Weitwinkelzoom in Retrostellung mit Novoflex-Adapter

 Die Makros in starker Vergrößerung wurden mit einem Objektiv in so genannter Retrostellung gemacht. Dabei wird das Objektiv mit einem Adapter um 180° gedreht an die Kamera gesetzt.

 Ich habe ehrlich gesagt nicht die blasseste Ahnung von der physikalischen Erklärung, aber auf diese Weise wird aus einem Normal-oder Weitwinkelobjektiv ein Makroobjektiv mit sehr starkem Vergrößerungsfaktor. Blendensteuerung, Autofokus und Belichtungsmessung funktionieren in dieser Objektivstellung normalerweise nicht, es gibt aber spezielle Adapter - die allerdings nicht ganz billig sind - mit denen die Fotografie wie gewohnt abläuft.

 

Das war mein erster Versuch mit dieser Technik und ich bin doch ziemlich baff über die Qualität der Bilder, zumal bei normalem Umgebungslicht ohne Blitz oder aufwendige Beleuchtung fotografiert wurde. Für mich eröffnet diese Methode eine völlig neue Dimension der Makrofotografie.


Literaturquelle

  The accompanying fauna of Osmia cornuta and Osmia rufa and effective meassures of protection“. Miloje Krunic, Ljubisa Stanisavljevic, Mauro Pinzauti, Antonio felicioli. Diese Arbeit gibt es im Internet als PDF-Datei, einfach nach dem Titel googeln.

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