Beim morgendlichen Kontrollblick in die Schachtel mit den Mauerbienenkokons, die hier nach dem Säubern der zerlegbaren Nisthilfe zwischengelagert wurden, werde ich mit einem vertraut gewordenen Geräusch begrüßt.
Ein deutliches, erstaunlich lautes Knistern, das entsteht, wenn sich die Kieferzangen durch die spröde Kokonhülle arbeiten. Einige Konkons zeigen bereits erste Löcher an deren Vergrößerung emsig
gearbeitet wird. Akuter Fotoalarm! Das Stativ ist in froher Erwartung dieses Ereignisses bereits aufgebaut und harrt der Dinge die da kommen. Die Akkus sind voll, der Speicherchip ist leer, von
mir aus kann es losgehen! Obwohl ich sie inzwischen schon viele, viele Male beobachtet habe, ist die „Geburt“ einer Mauerbiene immer wieder faszinierend, bewegend und spannend.
Da die permanenten Flugattacken der Männchen, die sich mit etwas unreflektierter Begeisterung auf alles stürzen was sechs Beine hat, eine Fotografie so gut wie unmöglich machen, findet die
Foto-Session zwangsläufig im Zimmer statt. Wenn man einen Kokon zum zehnten Mal in Position gesetzt hat und er unmittelbar vor dem Auslösen erneut im Sturzflug aus dem Bild gekickt wird, beginnt
das irgendwann doch ein klein wenig zu nerven.
Da gerade mindestens zehn Mauerbienen gleichzeitig schlüpfen, wird die ganze Aktion etwas hektisch. Schließlich reihe ich fünf Kokons in einer Linie auf, um bei Bedarf lediglich die Kamera schwenken zu müssen. Ganz offensichtlich gibt es eine geheime Absprache innerhalb der Wildbienen, um die Geduld des Fotografen einem liebevollen Test zu unterziehen. In der Regel nagen die Mauerbienen zuerst ein großes Loch in die zähe Kokonhülle, dass zum Schlüpfen oft mehr als ausreicht. Der eigentliche Schlüpfvorgang dauert dann oft nur 2-3 Sekunden. Überflüssig zu erwähnen, dass sich in schöner Regelmäßigkeit genau in diesem Moment der Live View auf dem Display ausschaltet, der Blitz-oder der Kamera Akku schwächelt oder ein Schnäuzen die Früchte der fotografischen Arbeit zunichte macht. Außerdem wird der Schlupfvorgang oft durch lange Pausen unterbrochen, die manchmal Stunden dauern können. Bleibt man in dieser Zeit in Hab-Acht-Position passiert mit tödlicher Sicherheit nichts. Kommt dagegen das Überdruckventil der Blase langsam in den kritischen Bereich oder der Wunsch nach einem Cappuccino wird übermächtig, findet man nach der Rückkehr ein leeren Kokon vor.
Wie erwartet bleibt die Sache spannend. Sobald ich mich für einen Kokon entschlossen habe und alle Kameraeinstellungen passen, fällt die schlüpfende Mauerbiene unweigerlich in ein spontanes Koma und verharrt bewegungslos. Gleichzeitig scheint in dem Kokon am Ende der Reihe der letzte Endspurt stattzufinden. Mist! Kamera schwenken, Position festlegen, Scharfziehen. Langsam komme ich mir vor wie ein Sportfotograf der eine Reportage über eine Ping-Pong Meisterschaft macht und kontinuierlich zwischen den beiden Kontrahenten hin und her schwenkt. Glücklicherweise gelingen zwischendurch doch immer wieder ein paar Blattschüsse. Von den ca. 20 schlüpfenden Mauerbienen haben sich letztendlich 15 ohne ihre digitale Verewigung aus dem Staub gemacht. Seufzend lasse ich sie auf den Finger krabbeln und setze sie auf dem Balkon in die Sonne.
Geburt ist Schwerstarbeit -für beide Seiten!
Die Männchen werden von der Schachtel in der die Kokons aufbewahrt sind, unwiderstehlich angezogen, vermutlich durch die von Weibchen produzierten Pheromone. Der „Ausgang“ wird immer von etlichen Männchen umringt, die sich auf jede dort erscheinende Biene stürzen, völlig unabhängig von ihrem Geschlecht. Häufig purzelt der so gebildete Bienen-Knäuel dann zu Boden. Als Larven koten die Mauerbienen regelmäßig ab, als fertig entwickelte Imagines, die in ihren Kokons auf das nächste Frühjahr warten, dann monatelang nicht mehr. Das wird sofort unmittelbar nach dem Schlupf nachgeholt, wie man links im Bild sehr schön erkennen kann.
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