Optisch "Hui", ökologisch "Pfui"?

Optisch "Ui", ökologisch "Pfui"! Die Bedürfnisse der einheimischen Insekten werden mit solchen Prunkmischungen nur unzureichend gestillt.
Der Trend ist klar: Noch bunter, noch größer, noch quietschiger, noch „lauter“.
Optisch "Ui", ökologisch "Pfui"! Die Bedürfnisse der einheimischen Insekten werden mit solchen Prunkmischungen nur unzureichend gestillt.
Derart "quietschige" aber ökologisch eher fragwürdigen Samenmischungen kommen häufig auf Verkehrskreiseln zum Einsatz.
In jüngster Zeit stößt man immer wieder auf Flächen, die sich durch einen fast unglaublichen Blütenreichtum auszeichnen und das Auge des Betrachters magisch anziehen.
 
Hier handelt es sich leider um eine jener typischen "WOW"-Mischungen die primär auf einen optischen Overkill ausgerichtet sind. Bei ihrem Anblick werden selbst hartgesottene Kontaktlinsen nach dem zweiten Blick pulverisiert.
 
Der Trend ist klar: Noch bunter, noch größer, noch quietschiger, noch „lauter“.
 
Ein botanischer Trump!
 
Leider sind die meisten Verbraucher durch das einseitige Pflanzenangebot in Gartencentern auf dieses "Ideal" geeicht. Die Reaktion der Bevölkerung auf solche Mischungen ist daher immer extrem positiv, was zu ihrer Verbreitung beiträgt.
Verkehrsinsel Verkehrskreisel einheimische Wildstauden Wegwarte
Hier wurde ausschließlich mit einheimischen mehrjährigen Wildstauden gearbeitet. Optisch sicherliche ebenfalls ansprechend, aber ökologisch um Längen wertvolller.
Einheimische Wildstauden sind stille, bescheidene, fragile Schönheiten, die viele Menschen durch die kontinuierliche optische Überreizung gar nicht mehr bewußt wahrnehmen.
 
Um ihre Schönheit zu genießen muß ich mich ihnen auf Augenhöhe nähern, ich muß ihnen Zeit widmen, innerlich erst zur Ruhe kommen, mich entschleunigen, einen Dialog mit ihnen aufbauen. Wer sich auf diesen Dialog einlässt wird dann auch reich belohnt. Ein einziger Blick aus zehn Meter Entfernung reicht hier eben nicht aus!
 
Den höchsten ökologischen Nutzen für unsere solitären Wildbienen haben einheimische mehrjährige Arten. Einjährige Arten besiedeln lediglich Pionierflächen in denen der Boden freiliegt. Sie werden aber dann schnell von den ausdauernden Arten verdrängt und können sich nicht mehr weiter aussamen. Ansaaten von Samenmischungen mit einem extrem hohen Anteil einjähriger Arten werden daher rasch von robusten Allerweltsarten überwuchert und sind pflegeintensiv. Es muss regelmäßig neu angesäht werden, was für die Hersteller solcher Mischungen ja kein allzu grässlicher Nachteil ist. Hier Absicht zu unterstellen wäre natürlich äußerst verwerflich! Nachhaltigkeit sieht allerdings anders aus.
 
Solitäre Wildbiene wild bee
Solitäre Wildbienenarten brauchen Pollen und Nektar während des ganzen Jahres, nicht nur für einige Wochen
Jede unserer über 500 einheimischen Wildbienenarten nutzt jeweils nur ein Zeitfenster von wenigen Wochen im Jahr. Durch diese zeitliche Verteilung entzerrt sich die Konkurrenz um die vorhandenen Ressourcen. Wenn während der Flugzeit einer Art kein ausreichendes Blütenangebot besteht, haben diese Insekten ein ernstes Problem.
 
Gerade die einjährigen Arten decken mit ihrer Blütezeit aber nur einen relativ kurzen Bereich ab. Entscheidend wäre aber ein durchgehendes Blütenangebot vom Frühjahr bis in den Herbst um ein möglichst breites Spektrum an Insektenartenarten zu unterstützen. Das können nur die mehrjährigen Arten leisten.
 
Gefüllte Blüten single and double flowers nectar pollen Rose Wildrose
Gefüllte Blüten: Eine Mogelpackung mit Schauwirkung aber ohne Pollen
Ausländische Pflanzenarten aus völlig anderen Klimazonen bestechen durch ihre Größe und Farbenpracht. Allerdings sind in unserem Klima meist sehr konkurrenzschwach, auch aus diesem Grund muss permanent nachgesät werden.
 
Besonders absurd ist der Einsatz von Sorten mit komplett gefüllten Blüten, bei denen sämtliche Staubblätter in Blütenblätter umgewandelt sind, also keinerlei Pollenproduktion stattfindet. Die optische Lockwirkung besteht, sie ist sogar intensiviert, die dort landende Wildbiene fühlt sich dann allerdings mangels Pollen völlig zu Recht ein wenig „verarscht“.
Glockenblume Campanula Weide Salix Natternkopf viper's bugloss willow bluebell bellflower Pollenspezialisten oligolektisch
Glockenblume, Weide und Natternkopf: Das wertvolle Trio für alle Pollenspezialisten
Besonders gefährdet sind die Pollenspezialisten (oligolektische Arten) unter den einheimischen Wildbienen. Eine Art, die den Pollen für ihren Nachwuchs beispielsweise ausschließlich auf der Gattung Echium (Natternkopf) oder Campanula (Glockenblume) sucht, hat nicht die genetische Flexibilität auf andere Arten auszuweichen. Die Konsequenz ist ganz simpel: Kein Pollen, kein Nachwuchs! Gerade solche wichtige Pflanzenarten finden sich leider Gottes fast nie in derartigen Mischungen.

Eine weitere Problematik solcher Mischungen ist für mich eine optische "Fehlprägung" der Betrachter. Verglichen mit dieser geradezu laut schreienden Blütenpracht wirkt eine normale Wiese oder ein Saum wie Aschenputtel neben Miss Germany. Das Spektakuläre wird zur Norm und zum Vorbild, dem auch im eigenen Garten nachgestrebt wird. Damit verlieren wir den Blick für das Normale, Schlichte, Fragile, Zarte und Unaufdringliche in der Natur. Der Schwellenwert zur Auslösung von Bewunderung wird immer weiter nach oben geschoben. Ein zartes Wildpflänzchen kann da natürlich nicht mehr mithalten. Unsere optische Sensibilität geht in diesem "Größer-bunter-greller"-Hamsterrad nach und nach völlig verloren.
 
Zusammenfassend entsteht beim Laien hier also der Eindruck, unsere einheimische Insektenwelt würde intensiv gefördert. Das ist leider nicht der Fall! Natürlich sind derartige Mischungen nicht komplett wertlos, aber mit der Verwendung einheimischer mehrjähriger Wildstauden steigt der ökologische Wert drastisch an.
 
Weitaus sinnvoller wäre der Einsatz bewährter Samenmischungen aus einheimischen Wildstauden.
Anbieter findet man unter anderem der Seite des Verbandes deutscher Wildsamen- und Wildpflanzenproduzenten (VWW e.V.):
 
 
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