Heute morgen wollte ich vor dem Frühstück eigentlich nur kurz einen Blick auf die Nisthilfen auf meinem Balkon werfen. Die tropischen Temperaturen von 15° C setzten aber das Schlüpfen mehrerer
Mauerbienen in Gang. Statt dem Griff zum Capucino folgte daher der hektische Hecht zum Stativ und dann war ich erst einmal zwei Stunden beschäftigt.
Ziemlich nervig waren die paarungsbereiten Männchen, die das Schlüpfen der Weibchen gar nicht mehr abwarten wollten. Mitten aus dem Flug lassen sie sich auf die Kokons fallen und kicken sie dabei
durch Sonn und Mond, auf alle Fälle aber Lichtjahre außerhalb des Schärfentiefenbereichs meines Makroobjektives Nichts gegen Leidenschaft und romantische Affären, aber nicht ausgerechnet
dann, wenn ich mein neues Makroobjektiv teste. Das ist extrem unerotisch!
Die Bienen bearbeiten zuerst einige Minuten die zähe Kokonhülle mit ihren Mandibeln, das dabei ertönende, harte Knistern, ist erstaunlich weit hörbar. Bereits der erste Versuch zu Schlüpfen ist
in der Regel erfolgreich und dauert nur wenige Sekunden. Oft kippt der Kokon dabei um und die Biene gibt im Schildkrötenmodus Fersengeld.
Fotografieren war also insgesamt richtig spannend :-)
Berechtigte Frage! Schließlich spielt sich die Entwicklung der Wildbienen inklusive Schlupf aus dem Kokon im Inneren der stockfinsteren Brutzellen ab.
Ich habe deshalb eine Nisthilfe aus übereinander gestapelten Brettchen verwendet, auf deren Ober- und Unterseite jeweils sechs Nuten gefräst sind. Beim Stapeln liegen die Nuten übereinander und bilden einen runden Gang, der damit automatisch immer Bestandteil zweier Brettchen ist. Entwickelt wurde dieses System in Amerika zur gewerblichen Vermehrung der Luzerne-Blattschneiderbiene (Megachile rotundata) die dort im großen Stil zur Bestäubung riesiger Luzernefelder eingesetzt wird. In den Jahren 1979 und 1980 "produzierte" eine einzige Saatgutfarm in der Provinz Alberta jährlich 60 Millionen Kokons. (vgl. Literaturverzeichnis: "Die Luzerne-Blattschneiderbiene").
Beim kommerziellen Einsatz von Mauerbienen als Bestäuber werden die Nisthilfen am Ende der Saison zerlegt. Die Kokons werden entfernt, gewaschen und dann bis zum nächsten Frühjahr gelagert. Parasiten wie die Taufliege Cacoxenus indagator oder Milben werden bei diesem Prozeß entfernt. Parasiten sind ein natürlicher Bestandteil des Ökosystems und stehen in einem relativ stabilen Gleichgewicht mit ihren Wirten. Ein Parasit der seinen Wirt ausrottet, würde sich die eigene Lebensgrundlage entziehen. Ich persönlich finde es deshalb aus ökologischer Sicht gerade das reizvolle an Nisthilfen für solitäre Wildbienen und Wespen, daß sich zusammen mit den Bienen auch ihre Gegenspieler einfinden und so problemlos beobachtet und fotografiert werden können.
Statt zur Bekämpfung der Parasiten kann diese Nisthilfe als Hilfsmittel für die Erstellung einer kleinen Mauerbienen-Statistik benutzt werden: Wieviele Zellen sind verpilzt, wieviele parasitiert? Wie hoch ist der Anteil an abgestorbenen Larven? Wieviele Brutzellen werden pro Gang angelegt? In welchen Zahlenverhältnis stehen Weibchen und Männchen?
Sobald die Temperatur im Frühjahr einen gewissen Schwellenwert übersteigt, beginnen die Mauerbienen die zähe Kokonhülle mit ihren Mandibeln aufzubeißen. Ca. seit August des Vorjahres haben sich die fertig entwickelten Mauerbienen im Inneren der Kokons befunden und auf den großen Moment gewartet. Das Durchbeißen der Kokonhülle verursacht ein hartes, knisterndes Geräusch, das überraschend weit hörbar ist. Innerhalb weniger Minuten ist die ganze Prozedur vorüber, der eigentliche Schlüpfvorgang dauert nur Sekunden.
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